Mein Pferd richtig verstehen

Mein Pferd richtig verstehen

Mein Pferd richtig verstehen

Bestimmt wünscht du dir manchmal, dass dein Pferd dir erzählen könnte, was es gerade denkt oder fühlt. Pferde können zwar nicht sprechen, aber sie kommunizieren mit uns durch ihre Körpersprache. Wir müssen ihnen nur richtig zuhören.

Damit wir ein Pferd richtig verstehen, müssen wir seine Körpersprache beobachten und wichtige Körpersignale deuten können. Erst dann können wir seine Reaktionen richtig einordnen. 

Wir müssen zuhören und die Sprache unseres Pferdes studieren. Erst dann begreifen wir, was das Pferd uns mitteilen will. Das braucht viel Geduld und Zeit. Pferde haben, genau wie wir Menschen, unterschiedliche Persönlichkeiten und kommunizieren daher auch unterschiedlich.

Aber es lohnt sich auf jeden Fall genau hinzuhören, wenn du dadurch eine Beziehung zu deinem Pferd aufbauen kannst, die auf Verständnis, Respekt und Vertrauen beruht. Zeig deinem Pferd, dass du bereit bist, seine Sprache zu erlernen und ihm zuzuhören. Es wird auf jeden Fall zu einer stärkeren Bindung zwischen euch führen. Wenn du dein Pferd besser verstehst, kannst du ihm auch besser vermitteln, was du von ihm erwartest. Und du kannst dann besser nachvollziehen, warum es manchmal nicht so reagiert, wie du es gerne möchtest. Erst wenn dir das gelingt, kannst du dich deinem Pferd gegenüber so ausdrücken, dass es auch dich versteht und akzeptiert. Dann wird es gerne mit dir zusammenarbeiten! 

 

Körpersprache des Pferdes

Was müssen wir wissen, um unsere und auch fremde Pferde besser zu verstehen?

Am besten konzentriert man sich zunächst auf den Gesamteindruck, den das Pferd durch seine Körperhaltung zeigt. 

Anschließend kannst du die Körpersignale genauer beobachten, die das Pferd aussendet und versuchen sie zu deuten. Dabei solltest du auf Folgendes achten: 

  • die Körperhaltung
  • die Gestik mit allen Körperteilen
  • die Mimik
  • die Atmung

Die Kombination verschiedener dieser Signale zu beobachten und zu deuten ist der sicherste Weg, um die Körpersprache eines Pferdes zu verstehen. 

 

Die Körperhaltung:

Durch seine Körperhaltung zeigt dein Pferd dir, wie es sich fühlt. Auch aus der Ferne kannst du meist schon erkennen, ob dein Pferd entspannt oder aufgeregt und angespannt ist. Wenn du siehst, dass dein Pferd zum Beispiel mit leicht gesenktem Kopf dasteht und vielleicht auch noch ein Hinterbein leicht angewinkelt hat, ist es bestimmt gerade entspannt und ruht sich aus. Steht es aber hoch aufgerichtet und angespannt da, ist es wahrscheinlich nervös oder aufgeregt.

 

Haltung von Kopf und Hals

Besonders die Haltung von Kopf und Hals deines Pferdes sagt einiges über seinen Gefühlszustand aus:

  • gesenkter Kopf und lockere Halsmuskulatur:
Ein entspanntes Pferd: durch die abgesenkte Kopfhaltung ist sein Sichtfeld eingeschränkt. Ein Fluchttier riskiert dies nur, wenn es sich sicher und wohl fühlt in seiner Umgebung. Beim Ausruhen und Dösen ist dies die normale Ruhehaltung.
  • erhobener Kopf und angespannte Halsmuskulatur:

Ein nervöses, angespanntes oder zumindest sehr aufmerksames Pferd, das seinen Kopf möglichst hoch trägt, um seine Umgebung weit überblicken und Gefahren schnell sehen zu können.

Aber auch Schmerzen und Verspannungen können zu einer hohen Kopfhaltung führen.

  • normal erhobener Kopf und entspannte Halsmuskulatur: 

Ein freundliches, aufmerksames oder neugieriges Pferd, das entspannt und interessiert seine Umgebung beobachtet.


Gestik mit allen Körperteilen

Unsere Pferde kommunizieren mit ihrem ganzen Körper mit uns und tun dies mit unterschiedlicher Intensität. Mit kleinen Zuckungen oder ausladenden Bewegungen ihres gesamten Körpers teilen unsere Pferde uns mit, was gerade in ihnen vorgeht.

Um dein Pferd richtig zu verstehen, solltest du seine Gestik genau beobachten:

 

Die Ohrenstellung:

Pferdeohren sind viel in Bewegung und zeigen dir, wohin dein Pferd seine Aufmerksamkeit richtet und wie es gelaunt ist. Da seine Ohren sich unabhängig voneinander bewegen können, kann es sogar gleichzeitig mit einem Ohr seine Umwelt wahrnehmen und mit dem anderen Ohr dir zuhören, wenn du mit ihm sprichst. 

Die Ohren sind ein wichtiges Kommunikationsmittel deines Pferdes. Sicherlich weißt du genau, was die Ohrenstellung deines Pferdes dir sagt. Hier nochmal ein kurzer Überblick:

  • Ohren zeigen gerade aufgestellt nach vorne:

Dein Pferd ist konzentriert und freundlich. Es richtet seine Aufmerksamkeit nach vorne, hat vielleicht etwas gehört oder gesehen, das vor ihm liegt.

  • Ohren sind aufgestellt und zeigen nach hinten:

Dein Pferd richtet seine Aufmerksamkeit auf etwas, das hinter ihm liegt. Es hört z.B. auf die Stimme des Reiters.

  • Ohren sind nach hinten eng angelegt:

Hier ist Vorsicht geboten. Das Pferd ist schlecht gelaunt oder wütend. Es kann auch Schmerzen haben oder es droht einem anderen Pferd oder einem Menschen in seiner direkten Umgebung. 

  • Ohren hängen zur Seite:

Dein Pferd döst entspannt oder ist gelangweilt.

  • Ohren werden in unterschiedliche Richtungen hin und her bewegt:

Das Pferd nimmt mehrerer Geräusche oder Signale auf und richtet seine Aufmerksamkeit in mehrere Richtungen. Vielleicht hört es mit einem Ohr seinem Reiter zu und nimmt mit dem anderen Ohr die Geräusche in seiner Umgebung wahr.

Bewegungen der Beine

Bestimmt achtest du viel auf die Beinbewegungen bei Pferden. Zum einen, um dich nicht zu verletzen und zum anderen, weil die Beinbewegungen uns viel darüber verraten, was in einem Pferd vorgeht.

Um dein Pferd richtig zu verstehen, solltest du auch auf die Gestik der Beine achten:

  • Entspanntes Entlasten des Hinterbeines:

Ist das Hinterbein des Pferdes locker auf der Hufspitze abgestellt, ist es ein Zeichen von Entspanntheit und Ruhe. Wenn es immer nur eine Seite belastet, ist es aber auch möglich, dass der Huf oder das Bein Schmerzen bereitet.

  • Austreten oder drohendes Anheben des Hinterbeins:

Das Austreten nach hinten kann eine Schreckreaktion sein. Das Pferd verteidigt sich instinktiv gegen einen Angreifer von hinten. Jeder Reiter weiß, dass man sich einem Pferd von hinten nicht schnell und überraschend nähert.

Mit dem drohenden Anheben des Hinterbeins oder anschließendem Tritt nach hinten kann dein Pferd aber auch deutlich machen, dass ihm etwas nicht gefällt (das Satteln, eine bestimmte Berührung,...)

  • Scharren mit dem Vorderbein:

Dies ist eine Geste des Unmutes oder der Ungeduld, z.B. wenn ein Pferd längere Zeit angebunden ist oder auf sein Futter wartet. Aber auch vor dem Wälzen und bei der Suche nach Futter scharren Pferde oft. 

  • Ausschlagen mit dem Vorderbein:

Meist ist es eine Abwehrreaktion. Pferde wollen sich dann gegenseitig auf Abstand halten oder dem anderen imponieren. Letzteres könnt ihr vor allem bei Hengsten beobachten.

                                     

Schweifbewegungen: 

Dass der Schweif nicht nur hübsch aussehen soll oder als große Fliegenklatsche dient, ist wohl jedem klar. Pferde kommunizieren auch mit ihrem Schweif. Wenn du dein Pferd richtig verstehen willst, musst du also auch die Signale erkennen, die dein Pferd mit dem Schweif gibt:

  • locker pendelnder Schweif:

ein entspanntes Pferde, dem es gut geht,

beim Reiten zeigt es die Losgelassenheit des Pferdes

  • hoch angehobener Schweif:

ein übermütiges, nervöses oder aufgeregtes Pferd, es kann Nervosität und Anspannung bedeuten, aber auch Ausgelassenheit, wenn ein Pferd freudig über eine Koppel galoppiert

  • mit dem Schweif schlagen:

das Pferd fühlt sich gestört (z.B. durch Insekten) oder eine Situation ist ihm unangenehm

  • der Schweif klemmt zwischen den Beinen:

ein ängstliches Pferd, das sich nicht wohlfühlt, ein Zeichen für Angst, Stress oder Schmerzen

               

Die Mimik

Ein Pferd kann allein über die Mimik von Augen, Maul und Nüstern viel ausdrücken. So kann ein Blick in die Augen deines Pferdes dir schnell sagen, wie es ihm geht.

Um dein Pferd richtig zu verstehen, musst du also auch auf seine Mimik achten.

Die Augen:

Wir wollen in diesem Blogbeitrag nicht auf die Sehfähigkeit von Pferden eingehen. Das wäre einen gesonderten Artikel wert. Aber um dein Pferd richtig zu verstehen, ist es auf jeden Fall wichtig zu wissen, was die Augen deines Pferdes über seine Stimmung aussagen können.

  • glänzende, lebhafte Augen:

alles ist in Ordnung, dem Pferd geht es gut

  • es rollt mit den Augen, sodass schon das Weiß zu sehen ist:

Vorsicht ist geboten, das Pferd ist sehr erregt oder hat Angst, gerät vielleicht  sogar gerade in Panik, wichtig ist jetzt die Ursache der Angst herauszufinden

  • stumpfe, trübe Augen, ausdrucksloser Blick: 

dein Pferd fühlt sich nicht wohl, ist evtl. sogar krank oder hat Schmerzen, dies wird noch betont durch eine steile Falte über den Augen

                          

Das Maul

Das sehr sensible Maul des Pferdes darf auf keinen Fall außer Acht gelassen werden, wenn es darum geht, die Stimmung deines Pferdes einzuschätzen. 

Mit den sehr sensiblen Tasthaaren am Maul erfühlt dein Pferd, was wir mit unseren Händen ertasten würden. Dadurch gelingt es ihm z.B. sehr kleine Fremdkörper, die sich unter das Futter gemischt haben, zu ertasten und auszusortieren.

Pferde kommunizieren auch mit dem Maul:

  • die Lippen sind locker, die Unterlippe hängt herunter:

das Pferd ist entspannt, es döst oder schläft gerade

  • eine entspannte Maulpartie mit geschlossenen Lippen:

ein zufriedenes Pferd

  • das Maul ist verkniffen, der Mund stark zusammengepresst:

das Pferd fühlt sich nicht wohl oder hat sogar Schmerzen

  • die Oberlippe ist lang und leicht verdreht:

das Pferd genießt, z.B. weil sein Fell gekrault wird oder weil es das Gefühl beim Putzen genießt 

  • Gähnen:

das Pferd entspannt sich und lockert seine Kiefermuskeln, evtl. kann es aber auch starke Schmerzen haben, den Unterschied kann man je nach Gesamtsituation des Pferdes erkennen 

  • mit den Zähnen knirschen:

entweder das Pferd ist gestresst oder mit den Zähnen stimmt etwas nicht

  • mit geschlossenem Maul kauen:

das Pferd ist entspannt, vielleicht war es gestresst oder erregt und entspannt sich gerade wieder

  • mit offenem Maul kauen (ohne Futter):

dieses „Senkrechtkauen“ soll Unterlegenheit demonstrieren, z.B. von einem Jungpferd gegenüber einem dominanteren, älteren Pferd, um deutlich zu machen, dass sie den höheren Rang des älteren Pferdes akzeptieren

  • flehmen: Oberlippe nach oben gezogen, Kopf weit nach oben gestreckt:

es sieht aus, als wenn das Pferd grinsen würde, das Pferd hat einen besonders interessanten oder wohlriechenden Duft wahrgenommen, durch das Flehmen werden die Nüstern verschlossen und dadurch der aufgenommene Geruch noch intensiver wahrgenommen, 

es kann aber auch bedeuten, dass das Pferd Schmerzen hat, auch hier muss wieder auf den Gesamtkörperzustand und die Situation geachtet werden


Die Nüstern

Was viele außer Acht lassen: Pferde haben einen sensiblen und ausgeprägten  Geruchssinn. Daher können Gerüche sich direkt auf das Gefühlsleben von deinem Pferd auswirken und ihm unter Umständen auch Angst einflößen. Die Bewegungen der Nüstern haben natürlich sehr viel mit seiner Atmung zu tun, auf die wir gleich noch gesondert eingehen. Aber eine bekannte Gestik mit den Nüstern, die ihr sicherlich alle kennt, ist ein deutliches Signal deines Pferdes:

  • geblähte Nüstern:

das Pferd signalisiert, dass es bereit ist zu fliehen, es hat etwas gehört, gesehen oder auch gerochen, das ihm Angst einjagt und befindet sich in Alarmbereitschaft


Die Atmung

Es gibt viele Artikel und Bücher über die Kommunikation mit dem Pferd. Dabei stehen meist die Körperhaltung und die Gestik des Pferdes im Focus. Sharon Wilsie und Gretchen Vogel gehen in ihrem wunderbaren Buch „Sprachkurs Pferd“ zusätzlich noch auf die verschiedenen Atemtypen ein, mit denen Pferde kommunizieren. Die Atmung ist auf jeden Fall ein Signal, das uns viel über den Zustand unseres Pferdes sagt.

Pferde kommunizieren mit uns anhand verschiedener Atemtypen.

Sharon Wilsie unterscheidet in ihrem Buch 9 verschiedene Atemtypen: 

  • Der Begrüßungsatem:

Schnauben aus der Entfernung heraus in Richtung eines anderen Pferdes oder einem Menschen, dabei ist das letzte Ausatmen meist länger

  • Der Willkommensatem:

ein anderes Pferd oder ein Mensch wird willkommen geheißen,
ein feines Weiten der Nüstern und gleichzeitig ein bewusster und sanfter Atemzug, ein Pferd „atmet“ dich ein und lädt dich in seinen Raum ein 

  • Der interessierte Atem:

ein Pferd zieht den Atem mehrmals kurz ein, um sein Interesse zu zeigen, so als ob es einen angenehmen Duft erschnuppern möchte

  • Der nährende Atem:

es hört sich wie ein „Schnauben nach innen“ an, Stuten benutzen diese Atmung, um ihre neugeborenen Fohlen zum Aufstehen oder Trinken zu bewegen

  • Der entspannende Atem:

ein langes, sanftes, freundliches Auspusten, um sich gegenseitig zu entspannen, Pferde tauschen ständig Atem aus und reinigen dabei ihre Nüstern 

  • Gähnen, großer Seufzer, Zitteratem:

Diese Atmung benutzen Pferde um zu entspannen, sie „schnauben“ eine Erfahrung fort, machen dabei die Nüstern frei und schütteln zusätzlich den Kopf: sie gähnen, um loszulassen, seufzen zustimmend oder atmen zweimal kurz ein und anschließend lange aus („Zitteratem“)

  • Das Wächteratmen

Ein kräftiges, schnaubendes Ausatmen, verbunden mit einem Angstgefühl prusten und schnauben Pferde in Richtung einer vermutlichen Gefahr

  • Das Trompeten

Es klingt wie das Tröten eines Elefanten, Pferde tun dies selten, aber es kommt vor, wenn sie von Freunden getrennt werden oder etwas Unbekanntes ihnen Angst macht

  • Das bewusste Atmen

Ein entspanntes Pferd atmet tief, sodass sich sein Bauch ausdehnt, wir können ein Pferd in seiner Entspannung unterstützen, indem wir ebenfalls tief und bewusst in den Bauch atmen


Um dein Pferd richtig zu verstehen und auf sein Verhalten eingehen zu können, solltest du also auch auf seine Atmung achten. Dass wir entscheidend auf unser Pferd Einfluss nehmen können, je nachdem wie wir mit unserem Pferd sprechen, weiß wohl jeder Reiter aus eigener Erfahrung. Aber Sharon Wilsie geht hier noch deutlich weiter: Wir können unser Pferd darin unterstützen sich zu entspannen, wenn wir in seiner Nähe tiefer und bewusster atmen. Das bewusste Atmen ist ihrer Meinung nach sehr wichtig bei unseren „Gesprächen“ mit dem Pferd. 

Um die Sprache deines Pferdes zu verstehen, braucht es Geduld. Wir haben hier einige Signale aufgezeigt, auf die du achten kannst. Natürlich kommuniziert ein Pferd mit uns durch viele verschiedene Signale gleichzeitig. Du musst dein Pferd viel beobachten (auch im Umgang mit anderen Pferden), um diese richtig deuten zu können und seine Sprache zu verstehen. Uns ist auch bewusst, dass jedes Pferd seine eigene Persönlichkeit und individuellen Eigenschaften hat und dementsprechend auch anders reagiert.  

Es lohnt sich auf jeden Fall unseren Pferden zuzuhören, um sie richtig zu verstehen. Es ist die beste Voraussetzung für eine harmonische Bindung und eine gute Kommunikation zwischen dir und deinem Pferd. Und natürlich muss ein Pferd auch deine Körpersprache und Reaktionen kennenlernen, um dir zu vertrauen und zu verstehen, was du von ihm erwartest.

 

Quellen:

- Andrea Kutsch, Aus dem Blickwinkel des Pferdes, Kosmos Verlag, 2019

- Konstanze Krüger, Das Pferd im Blickpunkt der Wissenschaft, Xenophon Verlag, 2010

- Sharon Wilsie & Gretchen Vogel, Sprachkurs Pferd, Kosmos Verlag, 2018

https://www.pferdefluesterei.de/pferdesprache-lernen-eins-werden/

https://www.pferdewissen.ch/stimme.php

https://www.cavallo.de/pferdeverhalten/das-einmaleins-der-koerpersprache/

https://für-hufe-und-pfoten.de/pferd/koerpersprache-pferd/2051/


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